Das nächste Ass der Anden
Torres del Paine
Eingebrannt für immer
Bei sich nun wechselnder Wetterlage (vor 5 Tagen hatte es hier geschneit und die ganze Gegend war regnerisch Wochen bedeckt) tauchen wir 30 km hinter der Stadt in die Berge ein mit dem Feeling, dass die Gipfel ringsum wenigstens 2000m haben, aber die sind nur 1.4 bis 1.6…….Der Asphalt ist griffig doch auch mit Schotterabschnitten und teils tiefen Löchern, die Wolken klaren immer mehr auf, es wird heller aber auch der Wind nimmt immer mehr zu, vor allem starke Böen. Doch ringsum steht Wald, kein Problem, wir behaupten uns wacker gegen die stürmischen Angriffe dieses Elements und unmerklich zieht uns die Landschaft immer mehr in Ihren Bann. Es geht an einer Bergflanke eine sanfte Steigung hoch und urplötzlich werden wir zum Fotostopp gezwungen!
Unter uns ein gigantischer See in welchen ein türkisfarbener Fluss mündet. Dieser kommt aus einem hellgrünen Tal, welches wiederum in der Ferne einem dunkelblauen Bergmassiv zu entspringen scheint. Das Massiv ist wild zerklüftet mit markanten Spitzen und Gletschern darauf und erhebt sich mit steilsten Wänden aus der Ebene. Sicher gibt es in den Alpen auch ähnliche Erscheinungen – nur wer z.B. vor der sicherlich Erhabenen Eiger Nordwand steht (die Eidgenossen mögen mir das nach sehen), befindet sich auf der kleinen Scheidegg bereits auf 2000m/üNN und ist mitten im Hochgebirge. Hier haben wir 100m Meereshöhe und die Gipfel steigen aus dem nichts auf über 3000! – Das wirkt!!
Wir rücken weiter in den Nationalpark vor, und kommen damit auch diesen magischen Spitzen näher – WAHNSIN dieses Panorama – doch gewinnen wir kaum an Höhe!? Deshalb werden die Berge scheinbar überdimensional, aber auch der Wind – und der ganz real! WIND, sind wir mittlerweile seit 5000 km gewohnt – auch starken, böigen, und wir glauben gerüstet zu sein, für Alles was da kommen möge. Doch als wir über eine mit Wildpferden bestandenen Ebene fahren drückt uns eien seitliche Böe um ein Haar von der Piste in den Graben…..wirklich mit Glück und sofortiger Reaktion kommen wir im „Bankett“ zum Stillstand…..und selbst in diesem Bewegungsstadium sind unsere Fuhren kaum zu halten bis der Angriff vorbei ist!!! Puh……Schotter und Böen sind wirklich eine Scheiß Kombination!
Etwas verkrampft steuern wir um eine Ecke und hier ist es plötzlich windstill, und der türkise See begleitet uns ab jetzt – doch Vorsicht! – es ist eine lieblich – trügerische Ruhe!!! Mit jeder Kurve und Talenge wird es wieder schlimmer! Auf dem See sind plötzlich Wellen wie auf dem Meer, der Wind erzeugt Wirbel die das Wasser hochziehen und wenn er an Land auf die Straße trifft nimmt er auch den Staub noch mit. Damit werden wir dann mehrmals gestrahlt und auch beinahe nochmals umgehauen – obwohl nun vorgewarnt und krampfhaft den Lenker in der Hand (schaut Euch die Videos an ;-))– das ist Abenteuer! Für die 138km Strecke brauchen wir an diesem Tag 6 Stunden!
Das Massiv der Tores del Paine ist ein östlicher Ausläufer des Patagonischen Eisschildes, welches sich über hunderte Kilometer und tausende Gipfel in Nord/Süd Richtung erstreckt. Die Kaltluft der Gletscher nehmen als Fallwinde Fahrt auf und werden durch die zerklüfteten Schluchten teils auf 150 km/h beschleunigt. Zudem drückt der Pazifik immerwährend Wolken in die Gletscherwelt, was dazu führt, dass die Westseite der Süd Anden permanenten Niederschlag ausgesetzt ist, während die Ostseite im Niederschlagsschatten liegt und fast nahtlos in die Prärie übergeht in der es relativ warm ist. Dazu kommen allein im Süden des Massivs auf 40km Länge 5 Große Seen und obendrauf noch mal 10 kleinere die sich in ihren Farben und Ausrichtung deutlich unterscheiden aber auch den Wind beschleunigen und auch verteilen. Das einzige was hier beständig ist, ist die Unbeständigkeit, des Wetters, denn nachts lässt der Wind oft deutlich nach. Dann allerdings sinken die Temperaturen auch schnell auf 5 Grad, tagsüber gibt es immerhin 13 im Schatten und bis 20 in der Sonne……es ist Sommer! – stundenweise.
Warum werden sich viele Fragen sind wir dann hierher gekommen? Eben deswegen!…..Und weil dieser ständige Mix auch ständig neue Perspektiven eröffnet! Und wenn erst die Sonne raus kommt sind die Granit Türme del Paine und die ganze umliegende Landschaft wohl der Olymp für bergaffine Natur Liebhaber weltweit. Als berühmtestes Motiv gilt dabei zweifellos die Dreiergruppe Torre Sur, Central und Norte – besonders vom Mirador der zugehörigen Gletscher Lagune Base de Torre aus gesehen. Von hier steigen diese Spitzen ebenfalls noch mal 2000 m fast senkrecht auf, und wer hier steht fühlt sich sehr klein. Das liegt auch daran, dass die Torres von weiteren ähnlich hohen Gipfeln flankiert werden mit denen sie zusammen ein U bilden. Da steht man dann und ist total geflasht! – Erst recht wenn der Hintergrund als Kontrast zum felsigen Ton das Blau und Weiß des Himmels ist – Bingo und welch Belohnung für einen 10 km langen und dreieinhalbstündigen Aufstieg.
Aber auch die andern Gipfel wie z.B. der Cerro und der Cuernos del Paine sowie der Monte Almirante Nieto, einzeln oder im Ensemble bleiben nicht nur für Alpinliebhaber unverkennbar und – einmal gesehen – für immer im Gedächtnis, dazu der natürlich verzweigte Rio Paine, die Laguna Azul, Salto Grande und, und, und…….Von einem Gaucho geführt kann man diese Weiten sogar als Greenhorn auf Pferden bereiten, und das auf Pfaden wie in Film!
Als wir uns vor rund vier Wochen am Atlantik mit ein paar argentinischen Bikern über unsere Tour unterhalten hatten, sagte der Eine: „Was ihr in Chile sehen werdet wird sich in Eure Netzhaut einbrennen!“ – Ist schon passiert!!! – und wir sind gespannt wie viele Asse die Anden noch im Ärmel haben!
Ushuaia & El Fin del Mundo
Wenn man von Buenos Aires kommend im Zick Zack und auf der Ruta 3 die Küste herunter gekommen ist und dabei auf 5000 km weder wirklich Kurven noch Berge nach den uns bekannten europäischen Maßstäben erleben konnte, nimmt man die Veränderung der Landschaft nach der Stadt Rio Grande schon als dramatisch war. Es gibt statt gelber Steppe und salzigen Wasserlaachen wieder Wald, saftige Weiden und riesige Süßwasserseen. Dann zaubert die Bergkette der Fuegischen Anden jedem der sich ihr nähert ein riesiges Grinsen ins Gesicht und plötzlich geht es da drüber – Yeah!
Die Berge unterscheiden sich nicht wirklich von den Alpen – steil, schroff und immer noch teils Schnee bedeckt. Aber die Vegetation in Ihrer Ursprünglichkeit, die vom Wind schräg gewachsenen Bäume die keine Tannen oder Kiefern sind, dichter Urwald, völlig unbewirtschaftet und auch undurchdringlich – machen bewusst dass wir nicht in Europa sind. Und dann erreichst Du tatsächlich die Stehlen am Ortseingang von Ushuaia……es ist kaum zu glauben und ein unbeschreiblich großes Gefühl.
Wenn man die argentinischen Städte der Ostküste kennengelernt hat, die kaum eine Erhebung kennen, nur in Blocks aufgeteilt sind und ihr Gesicht mit wenigstens 5 hässlichen viel zu hohen Neubauten erkaufen mussten, überrascht einen Ushuaia auf den ersten Blick – so wie die Veränderung der Landschaft auf die letzten 150km, zumindest vordergründig.
Schon auf Grund ihrer Hanglage erscheint sie überschaubarer als alles was wir bisher kennen, wenngleich die Ausdehnung des urbanen Gebietes sich auch auf über 10km Länge erstreckt. Doch in der Breite sind es nicht mehr als 2km und auf Grund des Gefälles zum Meer hin somit überschaubar. Dieses Gefälle und die Falten des Erdmantels setzen zudem auch der quadratischen Einteilung in Blocks Grenzen, es gibt kein herausstechendes Gebäude dass vom inneren Empfinden sofort als unpassend disqualifiziert wird.
Dafür sind die Häuser bunter und haben spitze Dächer mit Schornsteinen (wenn meist auch nur wegen Gas). Das Grün, Blau, Weiß und Braun der Umgebung bettet die Stadt farbenfroh in die Landschaft hier am Beagle Canal darüber hinaus es gibt das was man Wetter nennt. Frühling, Sommer Herbst und Winter können hier auch mal an einem Tag durchziehen – das mach sympathisch zumindest für Abenteurer.
Doch wenn man in die Stadt abtaucht erwartet einem in vielen Bereichen genau solch abenteuerliche Improvisation wie wir Sie in den andern Städten, bzw. Argentinien angetroffen haben. Die Stromleitungen sind alle überirdisch verlegt. Parallelstraßen zu den Hauptadern oder Abzweige in neue Wohnviertel sind nicht asphaltiert – wenn es drei Tage nicht geregnet hat staubt es wie irre und der scheinbar immerwährende Wind verteilt den Dreck überall. Darüber hinaus gibt es keine geordnete Baustruktur – jeder (so scheint es) macht was wer will oder was der Geldbeutel hergibt, und das hinterlässt selbst in besseren Gegenden oft auch hässliche Bauruinen. Der soziale Wohnungsbau gebährt Gebäude die bei uns maximal als Knast Block durchgehen und eher an Russlands verbotene Städte erinnern.
Motorisierte Verkehrsteilnehmer im allgemeinen setzen auf das Motto „solange die Karre anspringt ist sie fahrtauglich“, oder auch „loud Pipes save Lives“, und im kommerziellen Bereich ist „Efectivo“ (spanische Bezeichnung für Cash((welch eine Wahrheit!)) auch hier durch nichts zu ersetzen – gerne in US Dollar. Dafür gibt’s dann ne handgeschriebene Quittung – bestenfalls.
Was es jedoch in jedem Fall gibt, ist Höflichkeit und Gastfreundschaft – hier sogar häufig mit englisch oder auch deutsch Kenntnissen angereichert – und das ist für argentinische Touristenorte nicht immer selbstverständlich. Es gibt eine Mainstreet mit allen Souvenir und Markenläden, die der Besucher oder stielbewusste Einwohner braucht und mit urigen Kneipen in denen die Preise doppelt so hoch sind wie zwei Querstraßen weiter in der Quartiersschenke. Dazu Museen, Restaurants, Spa – und Wellness Tempel der Oberklasse und natürlich ein Hard Rock Café – nicht schlecht für das Ende der Welt!
Doch das ist Ushuaia definitiv nicht, denn das Ende liegt 23km weiter westlich an einem Ort namens Lapataia! Gleich an der Stadtgrenze Richtung Westen geht die Ruta 3 in Schotter über – wahrscheinlich um das Feeling – vor allem bei den kreuzfahrenden Bustouristen so real wie möglich zu gestalten – denn bei der Bedeutung für den lokalen Tourismus kann man es sich nicht anders erklären, dass diese Strecke nicht asphaltiert wird…..schließlich kostet auch der Eintritt 7 Euro pro Person in den gleich folgenden Nationalpark Park Tierra del Fuego in dem das Ende liegt. Aber es lohnt sich – dichter, undurchdringlicher Urwald, dazwischen Sümpfe und Moore, kleine und große Seen glasklarem Wassers. Darüber hinaus wilde Pferde und eine Fauna die sich deutlich von der unsrigen unterscheidet.
Doch es gibt auch einen anderen Weg sich diesem Naturparadies zu nähern – mit dem Tren del Fin del Mundo!
1902 beschloss die Provinzregierung von Feuerland den Bau einer Feldbahn welche die Stadt Ushuaia mit Brennholz und Baumaterial aus den unerschöpflich scheinenden Wäldern versorgen sollte. Deren Bau wurde von den Sträflingen der hier angesiedelten Kolonie immer weiter vom Stadtrand hinaus in die Wildnis getrieben, die Bahn tat 45 Jahre ihren Dienst. 1947 wurde Feuerland von einem schweren Erdbeben heimgesucht, welches 70 Prozent der Strecke und Bahnanlagen zerstörte. 1952 wurde die Sträflingskolonie geschlossen und die Bahn verfiel in einen Dornröschen Schlaf, wurde nicht wieder aufgebaut. 1994 begann durch einen privaten Investor eine Wiederbelebung, und so ist der Zug am Ende der Welt heute eine feste touristische Größe im Kreuzfahr – Bus & Fin del Mundo Dreieck. Auch wenn die Endstation der Bahn immer noch 8km von Lapataia entfernt liegt sind die Züge mit rollendem Material aus Epochen Anfang des vorigen Jahrhunderts gut gefüllt. Es gibt es wohl kaum eine romantischere Vorstellung ans Ende der Welt zu reisen als mit dieser Bahn.
Doch nach den weiteren 8 km ist plötzlich Schluss mit allen Wegen, mit der Ruta 3 – das kontinentale/interkontinentale Straßennetz der amerikanischen Kontinente endet abrupt in einer Bucht des Beagle Kanals, noch 100m Steg zu Fuß – das wars. Nichts spektakuläres wie das Nordkap, aber was für ein symbolischer Ort für fernwehgetriebene Abenteurer und sehnsuchtsvolle Gedanken. Von hier nach Prudhoe Bay Alaska sind es 17848km – und es gibt nicht wenige für die dieser Ort Anfang statt Ende ist!
Trotz allen Trubels bieten sich tatsächlich Zeitfenster in denen Mann/Frau hier draußen für Minuten ganz allein ist – und dann fühlt man sich wirklich wie am El Fin del Mundo.