Ein Haus im Sturm – oder – Wo sich die Elemente küssen
Doch Straße bedeutete damals prinzipiell Schotter und Dreck und die Fahrzeuge der 1910er bis 1950iger Jahre waren weder mit großer Langsteckentauglickeit, Allradantrieb oder Zuverlässigkeit gesegnet und die Distanzen zwischen den Orten sind noch heute gewaltig. Deshalb wurden an bestimmten Orten wo oft bereits eine Telegraphenstation oder eine Hazienda bestand hatte eine Werkstadt, ein Hotel und andere Infrastruktur wie z.B. Polizeistation eingerichtet.
Um das Cabo Raso hatten bereits Ende der 1890 ein paar deutsche, französische und norwegische Familien Land in Besitz genommen, welche nun auch entscheidend zur Errichtung und Funktion der Infrastruktur als auch zu einem funktionierenden dörflichen Leben beitrugen. Als jedoch das Verkehrsaufkommen und auch der Bedarf an schneller Beschaffung von Waren und Gütern zunahm entschied die Regierung den Bau einer neuen Straße – der Ruta 3 – mit endlosen Geraden und durchgehend asphaltiert – bis zu 70 km Luftlinie entfernt von der Küste durch die Pampa zu treiben. Mit Fertigstellung eines jeden Abschnittes starb ein andrer kleiner Ort der Ruta 1, und die letzte Bewohnerin 1985. Die Gebäude wurden verlassen, verfielen oder wurden geplündert, Cabo Raso ward alsbald vergessen.
Das änderte sich um 2006 als zufällig Eliane Fernandez Müller mit Ihrem Mann Rodrigo und ihren beiden jüngsten Kindern hier ein paar Tage Outdoor Camping am Meer verbrachten. Schon lange waren Sie auf der Suche nach eigenem Land außerhalb der Städte, verliebten sich in diesen Platz – das Projekt Wiederaufbau mit sanften Tourismus begann.
In jahrelanger ehrgeiziger Arbeit entstand Stück für Stück ein wundervoller Ort liebvoller Improvisation. Es gibt 3 geräumige Zimmer im Haupthaus, zudem 3 kleine Häuser mit Vollausstattung. Dazu einen großen Gemeinschaftsraum mit Kamin und Ofen der gleichzeitig auch als Gastraum dient, denn es werden auch für Durchreisende Speien und Getränke angeboten. Doch nichts hier ist High End oder nur annähernd dass was wir in Europa Standard benennen würden – ganz im Gegenteil – die Funktion und Kommunikation steht im Vordergrund! Jedoch ist alles sehr liebevoll gemacht und auch dekoriert – jedes Mobiliar, jeder Fensterrahmen, Waschbecken, Bett, Schrank stammt aus verschiedenen Epochen – oft noch aus der Gründerzeit des Ortes, und das spürt man. Kein Fenster kein Türspalt ist dicht, es zieht und pfeift denn der Pampawind ist unnachgiebig. Es gibt kein Internet, kein TV – die Elektrizität im ganzen Haus ist auf 12V umgerüstet – wenn man warm duschen will muss eine Stunde vorher der Badeofen angeheizt werden. Dafür gibt es Bücher in verschieden Sprachen und Halbpension – einzig gesammelt als auch angerichtet von den Eheleuten. Es gibt unbezahlbare Gespräche mit Ihnen über das Leben hier draußen, sowie den genauso unbezahlbaren und unverbaubaren Blick auf den völlig unberührten Atlantik. Hinter dem Dünendamm, sind Nandus, Lamas, Schafe und Maras die auf Steinwurfweite heran kommen.
Wer back to the Roots will wird hier fündig und auch auf genau die Art Mensch treffen, welche dem Irrsinn der schneller, höher, weiter Ideologie überdrüssig sind. Doch genau dann wenn man sich dabei ertappt eben Dies hier für sich als immer andauernde Maxime zu erheben, wird einem bewusst was es bedeutet hier draußen zu leben. 85 km Schotter ohne Brücken > wenigstens 1,5h Fahrt bei gutem Wetter in die eine Richtung zu einem Ort mit Supermarkt, Tankstelle, Arzt etc. entfernt (in die andere Richtung 160km) machen bewusst, dass die Freiheit einen Preis hat – den der andauernden täglichen Improvisation ohne jegliche Gewissheit.
Und doch strahlt ganze Anwesen eine außergewöhnliche Ruhe aus, eine Station und Festung zwischen den Elementen Erde, Wasser, Wind wie sie besser nicht aufgehoben sein könnte. Als wir ankommen, pfeift der Wind ablandig mit rund 40 km/h und 31 Grad. Wir möchten gerne die Zelte im Windschatten mit Blick zum Meer aufstellen, doch das ist leider nicht gestattet – nur hinter dem haus auf einer Wiese. Nach kurzer Führung von Eliane durchs Anwesen entscheiden wir uns aber für ein Zimmer denn solcher Enthusiasmus soll belohnt werden!!……Que Suerte!!!
Wir sitzen um 23.00 Uhr mit Gin Tonic auf unsrer Terrasse bei immer noch 24 Grad aber zunehmenden Wind und betrachten ohne Lichtverschmutzung den Sternenhimmel der südlichen Hemisphäre…..unfassbar intensiv und dank passender App auch noch zu deuten!!! – um 12 geht es ins Bett.
……..Es knirscht, es poltert, es scheppert, und pfeift – der ablandige Wind ist zum Orkan erwachsen, Das Haus stemmt sich dagegen, doch alles was nicht Stein ist, biegt und windet sich unter der Last des Windes. Schon eine halbe Stunde geht das so und wir machen uns ernsthaft Sorgen um unserer Bikes die vor der Terrasse parken. Als wir raus kommen ist es immer noch sternenklar doch können wir uns selbst kaum auf den Beinen halten. Um jeweils ein Bike nach dem anderen in den Windschatten des Hauses zu bugsieren müssen wir jedes Moped zusammen links und rechts schieben, so dass es uns nicht umhaut. Zurück in den Betten schlafen wir wieder wohlig ein obwohl es noch Stunden draußen so hantiert.
Der nächste Morgen begrüßt uns wolkenlos – fast windstill von See und Land – bei jetzt allerdings nur noch 14 Grad. Nichts am Haus oder im Garten ist umgefallen oder kaputt gegangen – obwohl uns Eliane versichert, dass es ein ungewöhnlich schwerer Sturm war, scheint alles was wir sehen in Ordnung und es funktioniert, wir bekommen ein erstklassiges Frühstück und reisen sicher und gestärkt zu Mittag ab. Genau darauf liegen die Prioritäten bei einem Haus im Sturm, mehr braucht es nicht!
Conny
…sooooo wundervoll❤️🌍…und schön, dass es solche Menschen und Plätze gibt 🫶🏻…eine Schaukel….allein am Meer…mehr schön geht nicht….und ja Badeofen anheizen…Einige kennen das noch…vielen Dank , dass wir mit euch mitreisen dürfen ihr 👏
Frank Petzold
Hallo ihr zwei Abenteurer,
viele Grüße aus dem herbstlichen Deutschland.
Das sind mal wieder coole Bilder von unendlichen Weiten am der Atlantikküste.
Ich beneide Euch um diese Erfahrungen, keine Zivilisation bis zum Horizont und nur diese Art von Menschen, die das genauso schön finden.
Nehmt diese Momente und Emotionen ganz bewusst in Euch auf, ihr werdet sie nie mehr vergessen.
…. und die Reise hat gerade erst begonnen ….. 🙂
Bleibt gesund
Viele Grüße Angela und Frank
Jan Schönweiß
Hallo Frank, Hallo Angela
wirklich schön, dass ihr uns so aufmerksam verfolgt und vielen Dank für die Blumen. Es freut uns sehr dass wir mit unseren Berichten für Sehnsucht sorgen.
Jan Schönweiß
Ach ja, wenn Du willst kannst Du uns auch auf Polarsteps folgen…..is bissel mehr Tagebuch
https://www.polarsteps.com/HendrikJOHN/5944150-south-america?s=EDB8A4DF-9120-4396-AE39-5288B889AD39
Frank
Hi Ihr Rumtreiber,
ja, ihr sorgt mächtig für Sehnsucht. Sehe mich gelegtlich selbst auf diesen langen Straßen fahren 🙂
Danke auch für den neuen Link. Der erste hatte keinen Inhalt. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht.
Also auf Richtung Feuerland, immer der Nase nach….
VG Frank und ja Conny, hier gibt es WIRKLICH NICHTS zu verpassen